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Nachwuchs

„Wir müssen die Chancen öffentlich machen“

Hausärztin Mareike Grebe über die Attraktivität des MFA-Berufs, wie man Mitarbeitende findet und hält und warum sie sich mehr männliche MFA wünscht

Text: Lars Menz — Foto: Gesine Frei

Hausärztin Mareike Grebe ist Vorsitzende des Bezirksstellenausschusses der KVN in Aurich und betreibt mit ihrem Mann und einer angestellten Ärztin eine Landarztpraxis im ostfriesischen Hesel. Momentan beschäftigen sie acht MFAs, davon arbeiten drei in Vollzeit, zwei sind VERAH. Eine Mitarbeiterin, die keine MFA ist, wurde durch die Praxis so weitergebildet, sodass sie anteilige Tätigkeiten übernehmen kann.

Frau Grebe, suchen Sie gerade MFAs für Ihre Praxis?
Gerade haben wir den Luxus, nicht auf der Suche zu sein. Wir haben Glück und insgesamt einen langjährigen Stamm an MFAs, zum Teil seit 15 Jahren, das ist toll.

Was tun Sie, damit sich die MFAs in Ihrer Praxis wohl­fühlen?
Wir kümmern uns um unsere MFAs, versuchen ein gutes Miteinander herzustellen. Wir möchten uns als Team fühlen, in dem jede und jeder sich nach seinem Können verwirklichen kann.

Wie kreiert man ein Team?
Man sollte im eigenen System versuchen, die Dinge so zu gestalten, dass es den Mitarbeitenden gut geht. Als Chefs müssen wir wahrnehmen, wenn es nicht so ist, und dann versuchen gemeinsam Lösungen zu finden. Wir führen jährlich Mitarbeitergespräche, um den MFA zurückzumelden, was wir gut oder nicht so gut fanden und holen natürlich die Sichtweise der anderen Seite ein. Monatlich gibt es Dienstbesprechungen, wir sammeln dafür Themen und besprechen diese gemeinsam. Jeden Morgen um acht machen wir zudem ein sogenanntes „Blitzlicht“, besprechen kurz aktuelles: Wer macht was? Ist etwas aufgefallen? Gibt es Dinge zu klären? Jeder soll seinen Platz im Team finden.

Gelingt das immer im stressigen Alltag?
Wir müssen ein Auge darauf haben, dass es funktioniert. Wir haben in den Praxen eine sehr hohe Arbeitsverdichtung und gerade durch die Digitalisierung ist alles schneller geworden, alles muss zügig erledigt werden. Das erhöht natürlich den Stresslevel.

Der Job der MFA ist herausfordernd.
Ja, es ist ein anstrengender Beruf. MFA müssen die ganze Zeit konzentriert bleiben, es gehen ja wichtige Themen über den Tresen. Die Verdichtung habe ich angesprochen. Und das Telefon steht praktisch nicht still.

„Es gibt auf Patientenseite viel Verunsicherung, zum Beispiel durch Dr. Google. Die kriegen auch die MFA zu spüren und müssen am Tresen viel aushalten.“

Mareike Grebe

Haben auch die Patientenzahlen zugenommen?
Die eigentliche Anzahl der Patientinnen und Patienten nicht, aber wir haben viel mehr Durchsatz als noch vor zehn Jahren. Einerseits liegt es an der Bevölkerungspyramide, also mehr Ältere, die mehr Medizin benötigen und auch nachfragen. Andererseits gibt es auf Patientenseite viel Verunsicherung, zum Beispiel durch Dr. Google. Die kriegen auch die MFA zu spüren und müssen am Tresen viel aushalten. Da haben wir schon einiges erlebt.

Kam es zu Gewalt in Ihrer Praxis?
Direkte Gewalt hat bei uns in der Praxis zum Glück noch keine Rolle gespielt, aber die Zahl an Patienten die am Tresen ausfällig werden, hat leider in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Hier müssen wir als Chef/Chefin leider immer mal wieder deeskalierend dazwischengehen.

Müsste Kommunikation stärker Ausbildungsinhalt der MFA sein?
Bei der KVN gibt es hilfreiche Fortbildungen, in denen geübt wird, wie man am Telefon mit schwierigen Patienten umgeht. Aber ja, ich fände es gut, wenn solche Themen bereits Teil der Ausbildung wären.

Was muss geschehen, um den Beruf in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiver zu machen?
Fachkräftemangel gibt es ja in allen Branchen, der Umgang damit ist zunächst eine gesellschaftliche Frage und man kann die Lösung nicht verallgemeinern. Der Beruf der MFA hat sich stark gewandelt. Früher war die Tätigkeit sehr auf die Praxis begrenzt, heute ist es ein Beruf mit vielen Möglichkeiten, beispielsweise durch ein Studium zur Primary Care Managerin oder auch durch eine VERAH-Ausbildung. Ich glaube, wir müssen diese Chancen öffentlicher machen. In unserer Praxis arbeiten zwei VERAHS und wir haben diese Ausbildung unterstützt. Zudem haben wir versucht für ein Primary-Care-Management-Studium zu motivieren, aber das hat noch nicht gefruchtet.

Wie wichtig sind MFAs demnach die Weiterbildungsmöglichkeiten?
Sehr wichtig, das ist ganz klar mein Eindruck, auch wenn es nicht für jeden etwas ist. Auch die erfahrenen Mitarbeiterinnen zeigen Interesse an Weiterbildung, gerade wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind und man nochmal Zeit freischaufeln kann, um sich weiterzuentwickeln. Und die zunehmenden Weiterbildungsmöglichkeiten könnten besonders auch für männliche MFA ein Anreiz sein, sich vermehrt für diesen Beruf zu entscheiden.

„Ich würde mich über die Bewerbung eines Mannes wirklich freuen, denn ich glaube, eine Mischung im Team wäre gut.“

Mareike Grebe

Wie siehts denn mit männlichen Bewerbern aus?
Schwierig.
Ich würde mich über die Bewerbung eines Mannes wirklich freuen, denn ich glaube, eine Mischung im Team wäre gut. Traditionell gibt es einfach kaum männliche MFA, vermutlich weil es immer ein Niedriglohnbereich war, mit dessen Gehalt man kaum eine Familie ernähren konnte. Aber heute MFA zu sein, ist ja ein ganz anderer Beruf als vor zwanzig Jahren. Nur kaum jemand weiß, dass MFA zum Beispiel auch anteilig im Homeoffice arbeiten können. Auch so etwas müssen wir bekannter machen.

Eine weitergebildete MFA ist für die Ärzte eine Chance auf Entlastung, kostet aber auch mehr. Wie gehen Sie damit um?
Die Ansprüche der MFA sind zu Recht gestiegen. Insofern ist es gut, dass es jetzt einen Tarifvertrag für MFA gibt, der – das muss man auch sagen – durch seine Transparenz natürlich Begehrlichkeiten weckt. Trotzdem finde ich die finanziellen Steigerungen richtig. Der Beruf der MFA muss aufgewertet werden. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass dies in der Honorierung der ärztlichen Leistungen deutlicher seinen Niederschlag findet. Wir müssen es schaffen, uns zur Teampraxis weiterzuentwickeln und damit zu anderen Abrechnungsmöglichkeiten. Dann könnten Praxen mehr gut weitergebildete MFAs anstellen und mehr Patienten im System versorgen.

Welche Strategien verfolgen Sie bei der MFA-Suche?
Die klassische Stellenanzeige, die wir vor zehn Jahren noch geschaltet haben, funktioniert heute nicht mehr. Die Zeitung hat ausgedient, was ein Problem ist, denn es gibt nach wie vor kein MFA-Suchportal im Internet. Das meiste läuft bei uns über das ärztliche Netzwerk, also den direkten Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. MFA-Suche über Social-Media sehe ich als Chance für die Zukunft. Ansonsten haben wir als Bezirksstelle ein erfolgreiches Projekt mit der Ärztekammer initiiert. Gemeinsam sind wir auf eine Schule in Aurich zugegangen, informieren Schülerinnen und Schüler über den MFA-Job und stellen Praktikumsplätze zur Verfügung. In den Betriebspraktika lernen die jungen Leute den Beruf kennen und so kann man sie auch dafür gewinnen.

Was müssen Bewerberinnen und Bewerber bei Ihnen mitbringen?
Sie sollten offen, neugierig und nicht konfliktscheu sein, oder andersherum, sie benötigen ein gewisses Rüstzeug, um Konflikte zu lösen. Mindestens ein Realschulabschluss ist notwendig.

Und wie werben Sie gegenüber den jungen Leuten für den Beruf der MFA?
Es ist ein toller, facettenreicher und attraktiver Beruf, aus dem man viel machen kann, wenn man Spaß daran hat und die Weiterbildungsangebote annimmt. Es ist ein Job, der sich weiterentwickelt und in dem die Vergütungsmöglichkeiten noch besser werden. Aber – und das wäre mein berufspolitisches Fazit – wir müssen die Chancen und Möglichkeiten im Job besser darstellen, damit ihn mehr junge Menschen machen.