

„Wir benötigen den kleinen Dienstweg“
Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Psychotherapeuten könnte oft besser sein. Felizitas Michaelis, Vorsitzende des Beratenden Fachausschuss für Psychotherapie und Timo Schumacher, Vorsitzender des Beratenden Fachausschuss für die hausärztliche Versorgung, über bessere Kooperation zwischen ihren Fachgruppen, Informationsdefizite und ihre Hoffnungen auf KIM.
Timo Schumacher ist Hausarzt in Schwanewede, Mitglied der Vertreterversammlung der KVN und Vorsitzender des Beratenden Fachausschuss für die hausärztliche Versorgung. Gemeinsam mit Felizitas Michaelis will er die Zusammenarbeit ihrer beiden Fachgruppen verbessern.
Welche Rolle spielt die Psychotherapie in Ihrer Hausarztpraxis, Herr Schumacher?
Schumacher: Den Menschen, der keine Macke hat, den kennst du nur noch nicht gut genug. Nein, im Ernst, Psychotherapie in der Hausarztpraxis wird häufig unterschätzt. Bestimmt bei einem Drittel meiner Patientinnen und Patienten spielt die Psyche eine Rolle, als negativer Verstärker, aber auch als positive Ressource.
Sind Sie geschult darin, schwere Fälle wie eine Despression zu erkennen?
Schumacher: Nicht annähernd so gut, wie die psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen. Wie gut man psychische Probleme erkennt, ist auch eine Frage der Erfahrung und des aktiven Nachfragens bei den Patientinnen und Patienten.
Fragen viele Patientinnen und Patienten bei Ihnen nach einer Psychotherapie?
Schumacher: Ja. Viele sind auch schon seit Langem auf der Suche nach einer Therapeutin oder einem Therapeuten und klopfen nun bei mir als Hausarzt an.
Haben die Fälle zugenommen?
Schumacher: Gefühlt haben die Fälle deutlich zugenommen. Vielleicht weil die Leute ehrlicher dazu stehen.
Felizitas Michaelis ist Psychologische Psychotherapeutin im Emsbüren, Mitglied der Vertreterversammlung der KVN und Vorsitzende des Beratenden Fachausschuss für Psychotherapie. Sie wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit mit den hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen.
Wie sehen Sie das, Frau Michaelis?
Michaelis: Die Wartezeiten auf eine Therapie sind allgemein nicht so lang, wie es oft kolportiert wird. Wer wann einen Platz bekommt ist ja auch eine fachliche Entscheidung, da geht es nicht nur nach Liste. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit der Akut-Behandlung. Schwere Fälle wie bei Suizidalität lässt niemand ein Jahr warten. Ich bin daher der Meinung, dass besser keine fixen Wartezeiten verbreitet werden sollten, die das tatsächliche Bild nicht realistisch wiedergeben.
Schumacher: Dass es Wartezeiten gibt, hat sich aber rumgesprochen. Um diese zu überbrücken würde ich mir wiederum von den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mehr psychologische Handlungsempfehlungen wünschen, die wir den Patientinnen und Patienten mit auf den Weg geben können, also Kurzinterventionen oder Tricks, die ich in fünf Minuten vermitteln kann. Auf geeignete Apps weise ich bereits hin – und das müssen nicht immer teure DiGAs sein.
Michaelis: Hilfreich wäre es, wenn die Hausärztinnen und Hausärzte ihre Patientinnen und Patienten darüber informieren, dass nicht jeder Therapieplatz zwingend ein Einzelplatz sein muss, sondern auch in kleinen Gruppen gearbeitet werden kann. Die Hausärztinnen und Hausärzte müssten die Arbeitsweise von uns Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten besser kennen und vermitteln. Hier gibt es ein Informationsdefizit und ich freue mich, wenn wir mit diesem Gespräch dazu beitragen können, es abzubauen.
„Hausärzte sollten darüber informieren: Nicht jeder Therapieplatz muss zwingend ein Einzelplatz sein, es kann auch in kleinen Gruppen gearbeitet werden.“
Felicitas Michaelis,
Psychologische Psychotherapeutin
Wie häufig findet denn zwischen Hausärztinnen und Hausärzten und Therapeuten ein Austausch statt?
Schumacher: Das ist eher selten. Bei den wichtigen Fällen wäre aber eine kurze, knackige Info für mich hilfreich – zum Beispiel über KIM (Kommunikation im Medizinwesen).
Michaelis: Den kurzen Dienstweg zwischen unseren Fachgruppen gibt es nicht, wir bräuchten ihn aber, beispielsweise wenn ich die Hausärztin oder den Hausarzt wegen Vorschlägen zu Medikation oder Krankschreibung sprechen will. Die größte Krux ist tatsächlich die mangelnde gegenseitige Erreichbarkeit. Ich muss ja die normale Praxisnummer anrufen und erreiche dann niemanden. KIM ist hier tatsächlich eine Lösung, funktioniert aber noch zu selten, auch weil sich die MFAs zu wenig damit auskennen.
Was bringen die Patientinnen und Patienten an Informationen aus der hausärztlichen Praxis mit zu Ihnen, Frau Michaelis?
Michaelis: Mir ist es erst einmal sehr lieb, wenn die Patientinnen und Patienten über den Hausarzt zu mir kommen, da die Hausärzte mittlerweile ein sehr gutes Gespür haben, wer in die Psychotherapie gehört, und wem eine Therapie helfen könnte. Meist bringen die Patientinnen und Patienten eine Überweisung aus der hausärztlichen Praxis mit, obwohl wir die nicht zwingend benötigen. Manchmal sind darauf aber bereits Symptome oder Fragestellungen notiert, oder auch eine Verdachtsdiagnose. So etwas finde ich sehr hilfreich.
Was reichen Sie an die Hausarztpraxis zurück?
Michaelis: Da wir Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten meist kein Praxispersonal haben, wird wenig verschickt und mehr über die Patientinnen und Patienten mitgegeben. Ich erstelle ein Formular, das PTV 11, das die Patientin oder der Patient mit der behandelnden Hausärztin oder dem behandelnden Hausarzt teilen kann und sollte. Ansonsten dienen die ersten ein bis drei Stunden der Ersteinschätzung. Wenn es anschließend zur Therapie kommt, bestimmt die Patientin bzw. der Patient, ob es einmal im Quartal einen Arztbrief gibt. Meine Kolleginnen und Kollegen schreiben diesen aber aus Zeitgründen nicht so gern. Die Hausärztinnen und Hausärzte bestehen ihrerseits auch nicht darauf. Das liegt aber vor allem an der Bürokratie. Auch hier könnte KIM den Austausch vereinfachen und beschleunigen.
Schumacher: KIM ist ein guter Weg. Eine diesbezügliche Vergütung würde die Kommunikation weiter verbessern und wäre wünschenswert. Aber auch der Austausch der direkten Telefonnummern, die Sie ja angesprochen haben, ist wichtig, quasi ein Arzt-Therapeuten-Telefon. Ich würde die Kolleginnen und Kollegen auch gern informieren, wenn es aus hausärztlicher Sicht etwas Neues gibt, das kann ich aber nur, wenn ich weiß, bei welcher Therapeutin bzw. welchem Therapeuten die Patientin oder der Patienten gelandet ist. Der kleine Dienstweg würde auch hier helfen.
„KIM ist ein guter Weg. Eine diesbezügliche Vergütung würde die Kommunikation weiter verbessern und wäre wünschenswert.“
Timo Schumacher,
Hausarzt
Hilft ein Konsiliarbericht bei der gegenseitigen Information?
Michaelis: Der Konsiliarbericht ist uns schon wichtig. Wir können die körperliche Situation der Patientinnen und Patienten ja nicht beurteilen. Es gibt auch einige körperliche Kontraindikationen für die Aufnahme von Psychotherapie und die beurteilt die Ärztin oder der Arzt.
Schumacher: Den Konsiliarbericht schreibe ich erst auf Anforderung und fasse dann die wichtigen Informationen zusammen, zum Beispiel sollten die Therapeutinnen und Therapeuten wissen, welche Medikamente ich gebe.
Michaelis: Ich würde mir wünschen, dass es auch umkehrt möglich wäre, einen Konsiliarbericht von uns Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten einzuholen. Gerade wenn keine Zeit für eine lange Therapie ist, könnte man nach den drei ersten Stunden eine konsiliarische Einschätzung geben. Das wäre vor allem bei den längerfristigen Krankschreibungen sinnvoll. Das fände ich eine gute Anregung.
Schumacher: Zumal mir oft Informationen fehlen, manche Patientinnen und Patienten wollen nicht über ihre Therapie reden, ich weiß nicht mal, ob sie überhaupt hingehen. Da wäre ein gegenseitiger, kurz und knapper Konsiliarbericht sinnvoll. Und es macht dann auch mehr Spaß, wenn ich weiß, was sich bei einer Person, die bei mir in Behandlung ist, verbessert hat. Und tatsächlich ist gerade die gegenseitige Information über die Arbeitsfähigkeit der Patientinnen und Patienten wichtig und mitentscheidend über die Dringlichkeit der Behandlung. Da geht es ja darum, ob sie drei oder vier Monate länger nicht arbeiten können und damit manchmal auch um den Job.
Michaelis: Wir Therapeutinnen und Therapeuten dürfen keine AU ausstellen und deswegen spielt die Arbeitsunfähigkeit für viele Kolleginnen und Kollegen keine so große Rolle – sollte sie aber. Also ja, eine bessere Kooperation wäre auch bei diesem Thema wünschenswert.
Was kann man tun?
Schumacher: Wir sollten die Frage nach der Arbeitsunfähig und auch seit wann jemand arbeitsunfähig ist, in den Konsiliarbericht aufnehmen und es ins Bewusstsein der Kolleginnen und Kollegen bringen, dass dies wichtige Informationen sind. Das wäre mal sinnvolle Bürokratie.
Michaelis: Solange wir den gegenseitigen Konsiliarbericht aber noch nicht haben, sollten wir es über den Arztbrief laufen lassen – einmal im Quartal. Ich kann meine Kolleginnen und Kollegen dazu aber nur motivieren, wenn das über KIM funktioniert.
Schumacher: Ja, die Motivation muss da sein. Ich gucke jetzt mal, welche Therapeutinnen und Therapeuten bei mir in der Nähe sind und pflege deren KIM-Adressen ein. Der erste Schritt wäre ja, dass ich selbst Kontakt aufnehme und denen meine Nummer mitteile. Erst mal an die eigene Nase fassen. Ich rufe dazu auf, den ersten Schritt zu gehen.
Michaelis: Das unterstützte ich. Und doch sollten wir uns gegenseitig persönlich Kennenlernen. Wir sind zwei Behandler an einer Patientin oder einem Patienten und diejenigen, die diese Person im Behandlungskontext am häufigsten sehen. Die formalen Prozesse ersetzten nicht den persönlichen Kontakt, den wir beispielsweise über die Bezirksstellen oder gemeinsame Fortbildungen herstellen könnten. Wir müssen mehr Gelegenheit zur Begegnung schaffen. Wir müssen als Fachgruppen besser zusammenarbeiten. Das nutzt uns bei unserer Arbeit und ist auch zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten.