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Qualifikation

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Qualifiziertes Praxispersonal kann Ärztinnen und Ärzte entlasten

Text: Detlef Haffke

In vielen – gerade ländlichen Regionen Niedersachsens bekommt das ehemals eng geknüpfte Netz der ambulanten medizinischen Versorgung deutliche Risse. Zu wenig angehende Ärztinnen und Ärzte stehen als Praxisnachfolger bereit. Da liegt es nahe, das vorhandene Praxisteam gezielt für weitere Aufgaben zu qualifizieren und Ärztinnen und Ärzte mithilfe delegierbarer Leistungen von Routinetätigkeiten zu entlasten. Dies ist mittlerweile in unterschiedlichen Formen möglich.

Delegation ja, Substitution nein

Der inzwischen einhellige Tenor lautet: Praxisinhaber müssen sich noch intensiver als bisher mit dem Thema Delegation befassen und alle Bereiche der ambulanten Patientenversorgung daraufhin abklopfen, wo gut qualifiziertes Personal zukünftig stärker eingebunden werden kann. Bestrebungen, die zunehmende Delegation in Richtung einer Substitution – also den Ersatz durch nicht-ärztliche Leistungserbringer aufzuweichen erteilt die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) eine klare Absage. Aktuelle Beispiele sind das Impfen in Apotheken oder die Diskussionen um die Ausweitung der Kompetenzen von Pflegekräften.

Fachkraft nicht „Arzthelferin

Die innerärztliche Diskussion um den Katalog delegationsfähiger Leistungen fällt in eine Zeit, in der Medizinische Fachangestellte mit wachsendem Selbstbewusstsein für ein neues Berufsbild eintreten. Vorbei die Zeiten, in denen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten „Sprechstundenhilfen“ zur Seite standen.

Bereits in den 1960er Jahren wurde der Ausbildungsberuf zur „Arzthelferin“ zunehmend strukturiert und vereinheitlicht. 2006 folgte schließlich die offizielle Umbenennung in Medizinische Fachangestellte. Diese sind inzwischen längst dem Status von „Sprechstundenhilfen“ entwachsen und oft bereit, mehr Verantwortung im Praxisbetrieb zu übernehmen. So umfasst der aktuelle Katalog delegierbarer Leistungen im Bundesmantelvertrag Ärzte (Anlage 8 – Delegations-Vereinbarung) zahlreiche delegierbare Tätigkeiten. Der Praxisinhaber oder die -inhaberin kann durch die Delegation ärztlicher Leistungen entlastet werden und engagierte MFA erhalten durch entsprechende Qualifizierungen nach ihrer Ausbildung neue berufliche Perspektiven. Vor diesem Hintergrund eröffnet auch die zunehmende Digitalisierung in den Praxen ganz neue Perspektiven.

VERAH, NäPa, EVA, PA und Co

Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) und Nicht-ärztliche Praxisassistentinnen (NäPa) sowie die Entlastende Versorgungsassistentin (EVA) sind unentbehrliche Helfer in der ambulanten Versorgung und übernehmen vor allem auf dem Land eine Vielzahl medizinischer Versorgungstätigkeiten. Es handelt sich hierbei um Medizinische Fachangestellte (MFA), die nach entsprechender Zusatzausbildung mehr Aufgaben wie beispielsweise Hausbesuche übernehmen können. Dadurch entlasten sie die Ärztin oder den Arzt und tragen zu einer besseren Versorgung der Patienten bei.

Neu hinzugekommen ist der akademische Ausbildungsberuf Physician Assistant (PA) bzw. Arztassistent. PAs wurden bislang in Kliniken eingesetzt, mittlerweile werden sie auch in Arztpraxen tätig – und eine weitere Ausweitung ihres Einsatzgebiets wird diskutiert.

VERAH

Zur VERAH können sich MFA fortbilden, die eine zweijährige Berufserfahrung in einer Hausarztpraxis nachweisen können. Diese Fortbildung ist vom Deutschen Hausärzteverbund (www.verah.de) initiiert worden und richtet sich speziell an MFA, die in einer Hausarztpraxis tätig sind. VERAH übernehmen delegierbare Aufgaben in der Praxis, stellen die Betreuung der Patienten sicher und machen Hausbesuche. Außerdem führen sie eigenständig Gespräche mit den Patienten und geben ihnen praktische Hilfestellung. Eine Weiterbildung zur VERAH ist berufsbegleitend und umfasst insgesamt 200 Unterrichtseinheiten.

NäPa und EVA

MFA, die mindestens drei Jahre in einer Hausarztpraxis oder Facharztpraxis beruflich tätig waren, können sich zur Nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPa) oder zur Entlastenden Versorgungsassistentin (EVA) fortbilden lassen. Die Fortbildungsinhalte sind nach dem Curriculum der Bundesärztekammer aber dieselben.

Anzahl und Inhalte der Kurse sind etwas umfangreicher: Je nach Berufserfahrung werden bis zu 271 Fortbildungsstunden berufsbegleitend absolviert. MFA mit einer abgeschlossenen Weiterbildung zur VERAH müssen nur einige wenige zusätzliche Kurseinheiten ableisten, um sich zur NäPa oder EVA zu qualifizieren.

Aufgabenbereiche

Eine fertig ausgebildete VERAH/NäPa/EVA übernimmt in der Praxis einen deutlich größeren Aufgabenbereich als eine MFA und trägt damit mehr Verantwortung. Sie erledigt selbstständig Hausbesuche und verfügt über einen eigenen Patientenstamm. Bei ihren Stammpatienten nimmt sie beispielsweise Blutabnahmen vor, achtet auf Blutzucker und Blutdruck, wechselt Verbände, dokumentiert Wunden und Heilungsprozesse und reagiert entsprechend auf gesundheitliche Veränderungen. Durch ihre Weiterbildung hat sich eine NäPa/EVA ein breites medizinischen Wissen angeeignet, das sie relativ frei in ihren Entscheidungen macht. So kann sie eigenständig vor Ort handeln, ohne vorher Rücksprache mit dem Hausarzt halten zu müssen. Sie beurteilt den allgemeinen Gesundheitszustand, schätzt die Lebenssituation ihrer Patienten ein und koordiniert bei Bedarf die Zusammenarbeit mit Pflegedienst, Pflegekräften und Angehörigen.

NäPa machen sich bezahlt

Das ärztliche Team für zusätzliche Aufgaben zu qualifizieren, stellt nicht nur eine Arbeitserleichterung dar, es rechnet sich auch für Praxisinhaber. Denn Ärzte, die eine nichtärztliche Praxisassistenz beschäftigen, erhalten eine Förderung. Mit dem Strukturzuschlag im EBM sollen vor allem Ausgaben für Weiterbildung, höhere Personalkosten und zusätzliche Praxisausstattung wie Mobiltelefone für Hausbesuche finanziert werden. Für die Abrechnung benötigen Ärzte eine Genehmigung der KVN. Denn Praxen, die diese Leistungen abrechnen wollen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Physician Assistants (PA)

Das Berufsbild des Physician Assistant (PA) und das Einsatzgebiet dieser speziell ausgebildeten medizinischen Fachkräfte ist relativ neu. Beim Physician Assistant oder Arztassistent handelt es sich um einen hochschulisch qualifizierten Gesundheitsberuf. In einem Bachelorstudiengang erwirbt der Assistent die nötigen medizinischen Fachkenntnisse und damit die Voraussetzungen, um vom Arzt delegierbare Tätigkeiten selbstständig zu übernehmen. Die Bundesärztekammer hat ein entsprechendes Delegationsmodell „Physician Assistant“ ausgearbeitet. Der Einsatzbereich für PAs liegt sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich.

Primary Care Manager

Die Komplexität in der hausärztlichen Versorgung nimmt immer weiter zu. Das ist nicht nur für die Hausärztinnen und Hausärzte, sondern auch für die Medizinischen Fachangestellten eine große Herausforderung. Zur Entlastung der Hausarztpraxen hat der Hausärztinnen- und Hausärzteverband mit dem VERAH-Programm bereits ein sehr erfolgreiches Weiterbildungsformat etabliert.

In einem nächsten Schritt können VERAH, NäPa und MFA nun im Rahmen eines Bachelor-Studiums ihre Kompetenzen weiter vertiefen und nach erfolgreichem Abschluss als Primary Care Manager (PCM) zusätzliche Aufgaben im Praxisalltag übernehmen – sowohl in der medizinischen Versorgung als auch im Praxismanagement. Über konkrete Umsetzungen in der Praxis entscheiden dabei immer die Hausärztinnen und Hausärzte.

In Kooperation mit der FOM (Hochschule für Oekonomie & Management) bietet der Hausärztinnen- und Hausärzteverband berufsbegleitend den Studiengang "Primary Care Management" an, den VERAH, NäPa und MFA mit dem akademischen Grad Bachelor of Science (B.Sc.) absolvieren können.

Neben der Entlastung der Hausärztinnen und Hausärzte erhöht der Studiengang die Attraktivität des Berufsbildes der Medizinischen Fachangestellten und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung von qualifizierten Fachkräften in den Hausarztpraxen.

Weitere MFA-Fortbildungen

Qualifikationen für MFA nach den Curricula der BÄK:

  • Ambulante Versorgung älterer Menschen
  • Assistenz Wundmanagement
  • Aufbereitung von Medizinprodukten in der Arztpraxis
  • Chronisch Entzündliche Darmerkrankungen
  • Elektronische Praxiskommunikation und Telematik
  • Ernährungsmedizin
  • Onkologie
  • Pädiatrie – Prävention im Kindes- und Jugendalter / Sozialpädiatrie
    Patientenbegleitung und Koordination