Schwieriger Traumjob
Zwei MFA berichten aus ihrem Alltag. Eine ist schon 35 Jahre dabei, die andere noch recht frisch am Start. Die Themen sind dieselben, der Blick auf den Job durchaus unterschiedlich. Dennoch sind sich beide einig: MFA zu sein, ist ein toller Beruf.
Rund 300.000 Medizinische Fachangestellte arbeiten für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Dimitra Gega und Lisa Marie Huntebrinker sind zwei von ihnen. Die 54-Jährige Gega ist seit 33 Jahren in einer gynäkologischen Praxis in Hannover tätig. Lisa Marie Huntebrinker ist 26 Jahre alt und seit neun Jahren Teammitglied einer allgemeinärztlichen Praxis in Hameln. Wie schauen beide auf ihren Job, was stört und was freut sie im Alltag und wie gehen sie mit Veränderungen um?
Dass sich in den letzten Jahren vieles verändert hat, spüren beide. Gegas Blick geht dabei natürlich weiter zurück. Die Bedingungen für MFA seien immer schwieriger geworden. „Manchmal ist es am Ende des Tages einfach schön, Feierabend zu haben“, sagt Gega. Vor allem stören sie die immer aggressiver werdenden Patienten. Sie kennt es noch, dass die Praxis Fotos von frischgeborenen Babys oder einen Kuchen als Dankeschön für eine gute Schwangerschaftsbegleitung bekam, heute kommt so etwas kaum noch vor. „Früher war der Umgang netter. Wir versuchen natürlich auch heute freundlich zu bleiben. Die Patienten aber akzeptieren keine Wartezeit mehr, drängen auf schnellere Termine oder wollen Rezepte, die wir nicht ausstellen dürfen“, erzählt Gega. „Wir werden angeschrien, nicht respektvoll behandelt und müssen Zähne zeigen.“
Das kennt auch Lisa Marie Huntebrinker. „Man kriegt am Empfang und am Telefon super viel ab“, bestätigt die 26-Jährige. „Die Patienten erwarten oft mehr, als uns möglich ist.“ Sie kennt die Praxis seit ihrer Ausbildung und das Thema Kommunikation begleitet sie seither. „Zu meiner Anfangszeit war der Umgang mit den Patienten für mich persönlich auch deshalb schwierig, weil ich mich noch nicht so recht getraut habe und eher zurückhaltend war. An der Anmeldung hört man von den Patienten oft das Negative. Ich musste erstmal lernen, damit umzugehen und das nicht persönlich zu nehmen. Das ist für Auszubildende eine echte Herausforderung.“
Trotz dieser Startschwierigkeiten schätzt Huntebrinker heute gerade das Gespräch mit den Patientinnen und Patienten. Wenn sie die Zimmer besetzt, die Patienten ein Stück begleitet und die Untersuchung vorbereitet, kommt sie enger in Kontakt, erfährt auch etwas übers Krankheitsbild. „Wenn man medizinisch interessiert ist, ist es ein sehr spannender Job und der menschliche Kontakt ist daran das Schönste für mich.“

MFA Lisa Marie Huntebrinker (26) initiierte den Social-Media-Aufritt ihrer Hausarztpraxis in Hameln. Daneben ist sie Hygienebeauftragte und eine Teamplayerin.
Gega stimmt zu: „Auch für mich ist die Arbeit immer noch attraktiv.“ Sie leitet mit viel Freude das Team aus sieben MFA und kümmert sich besonders um die Bedürfnisse der Auszubildenden. Alle im Team haben Migrationshintergrund, kommen aus Georgien, Albanien, Ghana oder der Türkei. Schwierigkeiten macht das kaum, nur die Sprachbarriere ist manchmal problematisch. Gleichzeitig hilft die Vielfalt oftmals gegenüber den ebenfalls aus zahlreichen Ländern stammenden Patienten. Ihren ausgelernten Auszubildenden bietet die Praxis grundsätzlich einen Einjahresvertrag an, wenn sie sich dann beweisen, kann Längerfristiges daraus werden. Wie die Noten in der Berufsschule ausfallen, ist für Gega dabei nicht entscheidend. „Es kann jemand in der Schule nicht gut sein, aber dafür gut arbeiten“, sagt sie. Wichtig ist ihr Flexibilität und Freundlichkeit. Und dass man auch mal einspringt, wenn jemand anderes krank ist. Laut der Bundesagentur für Arbeit kamen 2021 noch 102 Medizinische Fachangestellte auf 100 offene Stellen, im Januar 2022 waren es nur noch 75. Dass neues Personal zu finden schwierig ist, weiß auch Gega. Übers Jobcenter gebe es kaum Chancen, Nachwuchs zu finden. Sie geht daher ungewöhnliche Wege und schaltet Gesuche bei Ebay-Kleinanzeigen. Das funktioniert durchaus. Social-Media wiederum hat sie noch nicht ausprobiert.
„Es ist ein spannender Job und der menschliche Kontakt ist daran das Schönste für mich.“
Lisa Marie Huntebrinker, MFA
Für Bewerberinnen und Bewerber sei Social Media mittlerweile jedoch einer der kürzesten Wege, betont Huntebrinker. „Wenn Bewerberinnen über Social Media erste kleine Einblicke erhalten, macht das viel aus.“ Sie hat aber nicht nur deswegen einen Instagram-Kanal für ihre Praxis ins Leben gerufen, dem mittlerweile rund 500 Personen folgen. „Ich habe das in vielen anderen Praxen gesehen, fand es supercool und habe das unseren Ärzten vorgeschlagen.“ Huntebrinker überlegt sich Themen und bespricht sie mit ihrem Chef, anschließend lädt sie die Inhalte hoch. Das können medizinische Infos zur Grippeimpfung, aber auch Einblicke ins Praxisleben sein. Besonders ein Format kommt bei den Followern gut an. „In der Insta-Story machen wir alle zwei Wochen unsere Aktion `Fragen am Mittwoch`. Patienten können uns dort, außer zu ihrem Krankheitsbild, alle möglichen Fragen stellen. Wir merken, dass das Private interessiert und was im Hintergrund der Praxis so abläuft. Viele wollen wissen, warum wir so sind, wie wir sind.“ Nach freien Terminen frage dabei eigentlich niemand, sagt Huntebrinker. Meist postet sie etwa einmal im Monat. „Einerseits will ich die Leute nicht nerven, andererseits muss ja auch ich die Zeit dafür finden. Aber bei jedem neuen Like oder neuem Follower, geht mein Herz auf, und wenn die Ärzte in den Sprechstunden auf die Posts angesprochen werden, freue ich mich. Das ist mein Erfolg.“

Dimitra Gega (54) leitet das MFA-Team in einer gynäkologischen Praxis. Wenn Sie auf ihre langjährige Tätigkeit zurückblickt, sieht sie viele Veränderungen, doch nicht alles war früher besser. Sie fühlt sich in ihrem Job noch immer zu Hause.
Huntebrinker hat auch den Relaunch der Praxis-Website betreut und dafür mit einer Agentur zusammengearbeitet. Ihr ist wichtig, dass die Praxis im Netz attraktiv auftritt. „Die Seiten müssen gut und ansprechend gestaltet sein. Ich habe mir damals bei meiner eigenen Bewerbung zahlreiche Praxis-Internetseiten angeschaut und danach ausgewählt, was mich angesprochen hat.“
Dass ihr Job so abwechslungsreich sein würde, hatte sie vorher nicht geahnt. Im Gegenteil, sie war sich zunächst nicht sicher, ob sie überhaupt MFA werden wollte, machte vorab ein Berufsorientierungsjahr, bewarb sich erst dann. Im Team passte es gleich alles. „Ich wurde super aufgenommen, aber durchaus auch ins kalte Wasser geschmissen. Das erste Mal Blutabnehmen war sehr aufregend. Es hat einfach von Anfang an viel Spaß gemacht.“
Gegenüber früher habe sich die Ausbildung gar nicht so viel verändert, blickt Gega zurück. Sie hat damals in Offenbach noch die Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. „Was wir damals gelernt haben, lernen die jungen Kolleginnen heute auch.“ Veränderungen sieht sie vor allem bei der Arbeitseinstellung des Nachwuchses. „Wir waren damals Arzthelferinnen, die viel über ihre Pflichten, aber wenig über ihre Rechte wussten, heute ist es andersherum. Ich bin früher auch mal krank zur Arbeit gekommen, wenn es Unterbesetzung gab, das macht heute kaum noch jemand.“
Eine weitere Veränderung gegenüber damals liege natürlich auch an dem stark zunehmenden Anteil digitaler Arbeit. „Früher haben wir alles per Hand gemacht und es wurde mit Karteikarten gearbeitet, da hieß es raussuchen, eintragen, wegsortieren. Heutzutage ist das alles nur ein Mausklick.“ Zwar sei es damals anstrengender und durch die Digitalisierung heute einfacher geworden, aber die jungen Kolleginnen seien von der Komplexität auch oft überfordert, konstatiert Gega.
„Wir werden angeschrien, nicht respektvoll behandelt und müssen Zähne zeigen.“
Dimitra Gega, MFA
Huntebrinker sieht die Digitalisierung für sich vor allem als Chance. „Mir macht es Spaß und ich freue mich, wenn ich Zeit habe, mich mit neuen Systemen auseinanderzusetzen. Das ist total spannend und ich fuchse mich da gern rein.“ Denen, die über eine MFA-Ausbildung nachdenken, empfiehlt Huntebrinker zunächst ein Praktikum zu machen, um einen Einblick in die Arbeit zu bekommen. Und was der Nachwuchs sich ebenfalls klar machen müsse: „Der MFA-Job ist angesichts der vielen Aufgaben noch immer unterbezahlt, gerade im Vergleich zu einer Bürotätigkeit.“ Das bestätigt auch Gega und fügt an: „Der neue Tarifvertrag war gerade für uns erfahrene Mitarbeiterinnen nicht nur positiv, die jungen Kolleginnen haben einen deutlich größeren Sprung gemacht. Meine 35-jährige Erfahrung zählte nicht und das ärgert mich.“ Unzufrieden will sie aber nicht sein. In ihrer Praxis gibt es ein 13. Monatsgehalt, steuerfreie Gutscheine und sogar eine Erholungspauschale. Teamgespräche werden regelmäßig im Café oder Restaurant abgehalten. „Diese guten Bedingungen sind den jungen Kolleginnen, die noch nie woanders gearbeitet haben, kaum bewusst. Die Wechsler wissen es zu schätzten, aber die Anfängerinnen denken, das sei so üblich.“
Gega kommt trotz all der Veränderungen jeden Tag gern in die Praxis. „Wir fühlen uns hier wie eine Familie“, sagt sie „auch wegen der tollen Ärzte.“ Auch Huntebrinker würde immer wieder MFA werden wollen. MFA zu sein, sei eine Herausforderung, die nie langweilig werde. „Der Job macht super viel Spaß“, sagt Huntebrinker und lächelt. Sie und auch Gega arbeiten beide – trotz manchem, das besser sein könnte – in ihrem Traumjob.