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Nachwuchs

„Die machen es so gut, die Patienten sind dankbar“

Der Verein pro!MFA fördert die Ausbildung geflüchteter Menschen zur MFA und versucht so, auch dem Personalmangel in den Praxen etwas entgegenzusetzen. HNO-Ärztin Sonja Ruh aus Hannover ist eine der Initiatorinnen.

Interview: Lars Menz

Ferhad Hamza (links, MFA seit Sommer 2024) und Bushra Murad (rechts, Auszubildende zur MFA im ersten Jahr) mit Dr. Sonja Ruh.

Foto: Praxis Ruh

Dr. Sonja Ruh studierte an der Medizinischen Hochschule Hannover und führt seit 2002 eine HNO-Gemeinschaftspraxis mit Prof. Dr. Thomas Koch und Dr. Ilias Emmanouil. Sie ist Vorsitzende von pro!MFA e.V. – Initiative zur Integration geflüchteter und migrierter junger Menschen in die ambulante Medizin in Hannover.

https://pro-mfa.de/

Frau Dr. Ruh, Sie haben den Verein Pro!MFA mitgegründet, der Geflüchtete bei der MFA-Ausbildung unterstützt. Wie kam es dazu?
Sonja Ruh:
Dass es den Verein gibt, ist einem Zufall zu verdanken. In der Praxis berichtete mir tagsüber ein mittelständischer Unternehmer, wie begeistert er von seinen syrischen Mitarbeitern sei. Um sie zu fördern habe er einen Deutschlehrer eingestellt, der den Syrern und andere Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund bei der Bewältigung der Berufsschule helfe. Abends saß ich dann fachübergreifend mit Kolleginnen und Kollegen beieinander und habe davon berichtet. Daraus entstand schnell die Idee, einen Verein zu gründen, mit Satzung und allem Drum und Dran. Ich muss sagen, das war am Anfang viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt.

Was war Ihre Intention?
Der Nachwuchs in unseren Praxen ist und bleibt ein Riesenproblem. Finden tun sie so gut wie niemanden. Wir müssen die Praxen aber am Laufen halten und uns verbindet der Wunsch, jungen Menschen mit Migrationsgeschichte eine Zukunft zu geben und damit eben auch für gut ausgebildeten Nachwuchs in unseren Praxen zu sorgen. Etwas Erfolgreicheres, als dass diese Menschen eine abgeschlossene Ausbildung haben, gibt es ja nicht. So werden sie selbstständig, haben in einem absoluten Mangelberuf eine Ausbildung, mit der sie überall anfangen können – und gerade als Frauen sind sie damit unabhängig und können ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Wie haben Sie konkret begonnen?
Der Start war 2020. Wir hatten damals zahlreiche Bewerbungen von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund und haben einfach alle Bewerberinnen und Bewerber auf die beteiligten Praxen verteilt zum Gespräch eingeladen. Parallel zur Vereinsgründung haben wir zwei zu dem Zeitpunkt in Pension gegangene Berufsschullehrerinnen aus Burgdorf angesprochen, die sich gern ehrenamtlich engagieren wollten und die aus der MFA-Ausbildung kamen. Die wussten genau, was in den Berufsschulen gefordert wird und was für die Prüfungen wichtig ist. Zu Beginn hatten wir auch zeitweise eine Deutschlehrerin, die den Teilnehmenden neben der Sprache auch deutsche Sitten und Gebräuche nähergebracht hat. Und seit eineinhalb Jahren engagiert sich auch eine Ärztin im Unterricht.

„Ziel und Aufgabe ist es, diese Menschen so zu unterstützen, dass ein erfolgreicher Abschluss abgelegt werden kann.“

Dr. Sonja Ruh,
Vorsitzende von pro!MFA e.V.

Das bedeutet, die Beteiligten absolvieren eine ganz normale MFA-Ausbildung, erhalten aber nebenbei durch den Verein sprachliche und inhaltliche Unterstützung.
Genau. Mittwoch und Freitag ist Nachhilfe. Ziel und Aufgabe ist es, diese Menschen so zu unterstützen, dass ein erfolgreicher Abschluss vor der zuständigen Kammer zur medizinischen Fachangestellten abgelegt werden kann. Ich mache den Auszubildenden aber deutlich, dass die Lehrerinnen das ehrenamtlich machen und eine Teilnahme an der Nachhilfe Pflicht ist, sonst ist das mit der Ausbildung auch schnell wieder vorbei.

Haben die Teilnehmenden bereits Erfahrungen aus ihren Heimatländern mitgebracht?
Nein. Die Qualifikationen waren sehr unterschiedlich. Auch das Alter. Es waren sehr junge Frauen dabei, aber auch welche, die bereits drei Kinder hatten.

Woher stammen die Auszubildenden?
Vor allem aus Syrien, aber auch aus Afghanistan und Afrika.

Gibt es kulturelle Probleme?
Es kam vor, dass sich Familienmitglieder eingemischt haben und eine junge Frau aufgrund von familiärem Druck die Ausbildung abgebrochen hat. Unser Ziel ist aber natürlich immer, dass die begonnene Ausbildung abgeschlossen wird, und bislang hat das in 25 Fällen auch immer geklappt. Gegenwärtig sind zehn Personen in der Ausbildung.

Und wie läuft es mit den neuen Kolleginnen und Kollegen in den Praxisteams?
Zunächst gibt es dem Team etwas, wenn die Chefin oder der Chef sich engagiert und die Belange der Mitarbeitenden ernst nimmt. Aber die Situation bleibt prekär. Wir müssen schon heute Leistungen steuern, in Abhängigkeit davon, welche Mitarbeitenden gerade vor Ort sind. Da helfen uns die neuen Kolleginnen und Kollegen ungemein. Unser Kollege Ferhad Hamza hat letztes Jahr die Prüfung abgelegt und ist nun bei uns Vollzeit als MFA angestellt. Er macht das super, die Patientinnen und Patienten sind sehr dankbar und es hat noch nie jemand etwas Negatives gesagt. Und dem Team tun männliche Kollegen auch total gut.

Wie finanziert der Verein die Arbeit?
Die Ärztinnen und Ärzte aus den beteiligten Praxen sind Vereinsmitglieder. Der Jahresbeitrag beträgt 500 Euro. Nur wer dabei ist, kann dann auch die Unterstützung für die Auszubildenden in Anspruch nehmen. Zudem wird Integration und Bildung von verschiedenen Stiftungen gefördert. Uns hat die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung geholfen. So konnten wir für die Lehrerinnen sämtliche Ausgaben übernehmen und den Schülerinnen und Schülern die Bücher und Unterrichtsmaterialien bezahlen. In der Corona-Zeit haben wir auch iPads angeschafft, damit sie dem Online-Unterricht folgen konnten.

Gibt es Interesse auch aus anderen Praxen?
Vereinzelt ja. Grundsätzlich ist das Gründungsteam aus 15 Praxen nach wie vor dabei. Wenn wir sehr viel mehr würden, müssten wir den Verein professioneller aufstellen und bräuchten auch mehr Lehrkräfte. Das ist gegenwärtig nicht geplant.

Ihr Fazit?
Das Engagement lohnt sich und ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben.