„Maximale Flexibilität für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte.“
Die Partner von KVN.akut: Julian Simon ist Geschäftsführer der TeleClinic. Ein Gespräch über Telemedizin, Datensicherheit und neue Flexibilität in der medizinischen Versorgung.
Wirtschaftsingenieur Julian Simon ist einer von zwei Geschäftsführern der TeleClinic und verantwortlich für die Leistungserbringer auf der TeleClinic Plattform und Partnerschaften mit KVen. Die TeleClinic mit Sitz in München wurde 2016 von Katharina Jünger und zwei Co-Foundern gegründet. Rund 100.000 Patienten versorgt die TeleClinic monatlich bundesweit. Im Rahmen des Bereitschaftsdienstes von KVN.akut werden auf der Plattform derzeit rund 8.000 Behandlungen im Monat durchgeführt.
kvn.magazin: Herr Simon, wie finden Sie die Bereitschaftsdienstreform, wie finden Sie KVN.akut?
Julian Simon: Das ist ein sehr spannendes und innovatives Modell. Hier wird das Beste aus der Telemedizin zutage gefördert. Die Patientinnen und Patienten erhalten schnellen Zugang zur medizinischen Versorgung – bei größtmöglicher Flexibilität für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Sie entscheiden selbst, wann und von wo sie telemedizinisch behandeln, und erhalten für jeden abgeschlossenen Fall die reguläre KV-Vergütung. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Worin ist Ihrer Meinung nach die Flexibilität begründet?
Unser gemeinsames Projekt KVN.akut ermöglicht es, telemedizinische Behandlungen flexibel in den eigenen Alltag zu integrieren. Wer teilnehmen möchte, kann sich jederzeit einloggen – ganz ohne feste Schichten oder eine vorgeschriebene Zahl an Fällen. Ob zwischen zwei Praxisterminen, am Abend oder am Wochenende: Jede Ärztin und jeder Arzt entscheidet selbst, wann Zeit für die Versorgung von Patientinnen und Patienten ist. Diese Freiheit in der Planung erleichtert die Vereinbarkeit mit Praxisbetrieb und Familie und macht den Einstieg besonders attraktiv.
Die Tätigkeit als Telemediziner lässt sich also gut in den Praxis- und Lebensalltag der Ärztinnen und Ärzte integrieren?
Ja, genau. Unser Produkt schafft einen Mehrwert für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Das sehen wir auch an den Zahlen. Jeden Tag kommen auch aus Niedersachsen neue Ärztinnen und Ärzte hinzu, allein in diesem Quartal waren es über 100. Die Ärztinnen und Ärzte bleiben dabei, weil es ihnen Spaß macht, weil sie die Chance erkennen und weil sie positive Behandlungserlebnisse haben. Da findet gute und effiziente Versorgung statt – und immer so, wie es in den individuellen Arbeitsalltag reinpasst, ganz ohne Verpflichtung.
Was müssen Ärztinnen und Ärzte wissen, wenn Sie mitmachen wollen?
Wenn sich ein Arzt neu anmeldet, vereinbaren wir einen kurzen Termin, in dem wir die ärztliche Zulassung und den Arztausweis prüfen und eine Einführung in die Plattform geben, das dauert etwa 30 Minuten und reicht aus, um direkt starten zu können. Benötigt werden lediglich ein Laptop mit Kamera und Mikrofon sowie eine Internetverbindung. Weitere Technik oder Software sind nicht erforderlich.
„Wir legen großen Wert darauf, dass die Software einfach und intuitiv ist und sich an bewährten Designmustern orientiert.“
Julian Simon
Sehen die Ärzte aus Niedersachsen eine Oberfläche, die deutlich macht, dass sie für KVN.akut tätig sind?
Ja, die Startseite ist im KVN.akut Design gestaltet, sodass sofort erkennbar ist, dass es sich um den Bereitschaftsdienst der KV Niedersachsen handelt. Die Funktionen entsprechen aber der gewohnten TeleClinic-Plattform. Wir legen großen Wert darauf, dass die Software einfach und intuitiv ist und sich an bewährten Designmustern orientiert.
e-Rezept und eAU können dabei verwendet werden. Wie erfolgt die Rezeptausstellung?
Mit eAU und eRezept sowie KIM und auch ePA steht mittlerweile sehr gute digitale Infrastruktur zur Verfügung, auf die unser System aufsetzt. Für die Rezeptausstellung verbinden wir unsere Plattform mit der vorhandenen Praxisinfrastruktur des Arztes, um mit dem Konnektor und den Kartenlesegeräten zu kommunizieren. Die Rezeptausstellung ist somit ortsunabhängig möglich.
Viele der angesprochenen telematischen Anwendungen laufen ja mehr schlecht als recht.
Für die telemedizinische Behandlung bringen die TI-Anwendungen schon heute großen Mehrwert. Über die TeleClinic-Plattform kann jeder Arzt und jede Ärztin auch von zu Hause aus Rezepte oder Krankschreibungen ausstellen. Diese werden dann auf die eGK geladen bzw. direkt an die Krankenkasse versendet. Zukünftig gehen Ärztinnen und Ärzte noch mit der ePA noch informierter ins Patientengespräch. Das wird einen großen Schub nach vorne bringen in der Versorgung. Wir gehen den richtigen Weg.
Was sagen die Ärztinnen und Ärzte zu Ihrem Angebot?
Das Feedback ist durchweg sehr positiv. Viele betonen, wie unkompliziert die Behandlung über die Plattform funktioniert und dass sich die telemedizinischen Fälle gut in den eigenen Arbeitsalltag einfügen. Von Beginn an haben sich genügend Ärztinnen und Ärzte beteiligt.
Wie läuft die Behandlung ab?
Patientinnen und Patienten melden sich bei der 116117 mit akuten Anliegen. Dort durchlaufen sie ein SmED-Assessment. Anschließend wird der Fall über eine Schnittstelle an die TeleClinic-Plattform übermittelt. Aktive Ärztinnen und Ärzte sehen den Fall in einer Anfrageliste mitsamt SmED-Einschätzung. Dies ermöglicht eine zielgerichtete Behandlung. In etwa 70 Prozent der Fälle kann fallschabschließend behandelt werden, sodass keine Folgeversorgung notwendig ist. In den übrigen Fällen legt der behandelnde Arzt oder die Ärztin die Dringlichkeit fest und der Fall wird an die Leitstelle zurückgeführt. Bei hoher Dringlichkeit rückt dann der Fahrdienst aus.
„Natürlich kann nicht jedes Anliegen telemedizinisch behandelt werden. Es kommt auf eine gute Verzahnung zwischen der Telemedizin und der Behandlung vor Ort an.“
Julian Simon
Aber nicht alle Fälle sind telemedizinisch abzuarbeiten. Wo sehen Sie die Grenzen Ihrer Plattform?
Natürlich kann nicht jedes Anliegen telemedizinisch behandelt werden. Es kommt auf eine gute Verzahnung zwischen der Telemedizin und der Behandlung vor Ort an. Beides muss sich ergänzen. Über die strukturierte Ersteinschätzung wird bereits vor dem Gespräch geprüft, ob sich ein Fall für die Telemedizin eignet. Wenn sich während der Behandlung zeigt, dass eine persönliche Untersuchung notwendig ist, wird die Dringlichkeit durch den Arzt oder die Ärztin festgelegt und der Fall an die Leitstelle zurückgespielt. Durch dieses Zusammenspiel ergibt sich am Ende eine sehr gute Versorgung, die sicher bleibt. Gleichzeitig können viele Anfragen schnell und effizient behandelt werden.
Sie sprachen eben die räumliche Nähe zwischen Arzt und Patient an. Inwieweit spielt Regionalität eine Rolle?
Ich denke, Ungleichgewichte in der regionalen Verteilung können von der Telemedizin sehr gut ausgeglichen werden. Wir haben einen einfachen Zugang und erreichen eine sehr effiziente Versorgung. Effizienz und der überregionale Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage sind die zwei größten Hebel der Telemedizin.
Einige Akteure sehen Ihr Angebot als Konkurrenz zu den Praxen. Wie beurteilen Sie diese Kritik?
Wir verstehen, dass neue Versorgungsformen zunächst Fragen aufwerfen. Unser Ziel ist es jedoch nicht, bestehende Praxen zu ersetzen, sondern sie zu entlasten. KVN.akut schließt Versorgungslücken, indem Patientinnen und Patienten in akuten Situationen schnell ärztliche Hilfe erhalten – außerhalb der regulären Sprechzeiten. Viele dieser Fälle können telemedizinisch abgeschlossen werden, sodass die Notaufnahmen und die Praxen weniger belastet werden. Wir arbeiten eng mit der KV Niedersachsen, weiteren KVen und rund 60 Krankenkassen zusammen und suchen aktiv den Dialog mit allen Beteiligten. Gemeinsam möchten wir Lösungen entwickeln, die die ambulante Versorgung stärken und für Ärztinnen und Ärzte neue, flexible Einsatzmöglichkeiten schaffen.
Wie sicher ist Ihre Plattform für Ärzte und Patienten?
Datenschutz und Datensicherheit haben für uns höchste Priorität Die TeleClinic-Plattform ist nach den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung zertifiziert und wird regelmäßig vom TÜV geprüft. Mehrmals im Jahr führen wir einen unabhängigen Sicherheitstest durch, bei denen externe Expertinnen und Experten gezielt in unserem Code nach Schwachstellen suchen. Alle Daten werden zudem auf Servern in Deutschland verschlüsselt.
Zum Schluss: Wie beurteilen eigentlich die Patientinnen und Patienten das Angebot?
Die Rückmeldungen sind überwiegend sehr positiv. Viele schätzen vor allem, dass sie in kurzer Zeit ärztliche Hilfe erhalten und sich gut beraten fühlen. Die Kombination aus schneller Terminvergabe und qualifizierter Behandlung sorgt für eine hohe Zufriedenheit und viel Dankbarkeit. Das zeigt uns, dass KVN.akut nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, sondern auch für die Patientinnen und Patienten einen spürbaren Mehrwert bietet. Die Patientenzufriedenheit liegt konstant bei über 4 von 5 Sternen.