Prolog

Porträt

Ein Leben im Dienst der Menschen: Dr. Jörg Berling (2.v.r.) hilft von Herzen gern.

Macher mit Leib und Seele

Der ehemalige stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVN, Dr. Jörg Berling, hat sein Leben durch und durch in den Dienst der Menschen gestellt. Um einen Sonnenplatz im Himmel geht es dem Allgemein­mediziner aus Adendorf dabei aber nicht. Ihn treibt etwas anderes an.

Text: Constanze Hufnagel — Fotos: Dr. Jörg Berling

Dr. Jörg Berling schmiert Brote für den Mittagstisch in der Küche der St. Marienkirche in Lüneburg

Was kann ich tun?“ Dr. Jörg Berling ist in seinem Element. Er steht am Montag um 11 Uhr in der Küche der St. Marienkirche in Lüneburg und will loslegen. Fünf weitere Helfer sind anwesend. Eine Frau reicht ihm ein ganzes Brot und der 66-Jährige macht sich sofort daran, es zu schneiden. In einer Stunde kommen die Gäste zum Mittagstisch, einer Initiative der katholischen Gemeinden St. Marien und St. Stephanus. Arme und einsame Bedürftige erhalten eine kostenlose warme Mahlzeit. Dreimal in der Woche gibt es das Angebot und ein vier- bis siebenköpfiges Team aus 30 ehrenamtlichen Helfern wechselt sich ab. Seit über einem Jahr ist Berling einer von ihnen.

Der Brotturm auf dem Teller vor ihm wächst. Kaum ist Berling fertig, trägt er diesen hinaus in den Vorraum. Dort sind schon einige Tische aufgebaut. Man merkt schnell, stillstehen und zusehen ist nicht sein Fall. Er will immerzu anpacken und helfen.

Dieses Anpacken für andere ist Berlings Leben. Nicht nur, dass er hauptberuflich Arzt geworden ist. Berling hat sich sozial, kirchlich und politisch engagiert. Ob in den 70ern in einer politischen Studentengruppe, später zusammen mit seiner Frau beim Gestalten von Kindergottesdiensten, bis hin zu den medizinischen Hilfseinsätzen in Afrika oder als stellvertretender Vorstand bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen es ist nur eine Auswahl einer beeindruckenden Liste an Aktivitäten. Doch der vierfache Vater hört das gar nicht so gern. „Ich glaube, das muss man jetzt nicht überhöhen“, wiegelt er ab. Es ist ihm sichtlich unangenehm, seine Person im Mittelpunkt zu sehen, für ihn zählt die Sache. Die Frage warum er sich so viel für andere einsetzt, stellt sich einem unweigerlich. „Nicht um einen Sonnenplatz im Himmel zu bekommen. So ist das nicht.“ Wie ist es dann? „Wenn man ehrenamtlich etwas tut und anderen Menschen in irgendeiner Weise helfen oder eine Freude machen kann, dann tut das einem selber auch gut“, antwortet Berling. Er habe gemerkt, dass Menschen die reicher sind, nicht unbedingt glücklicher sind. „Mir geht es gut. Aber es würde mich nicht zufrieden machen, Geld und Zeit für extravagante, teure Hobbies auszugeben.“

„Es geht um mehr als einen Teller Suppe. Es geht um Kontakt, um Anteilnahme.”

Dr. Jörg Berling

Mittlerweile ist es 12 Uhr, die Gäste stehen bereits Schlange. Es gibt Erbseneintopf, mit Fleisch und ohne. Nacheinander füllt Berling die Teller. Die Leute ziehen sich in Nebenräume zurück und essen gemeinsam. 50 Teller sind schon ausgegeben. Zwei Drittel des Monats sind herum, da haben die Leute kein Geld mehr. „Es geht aber um mehr als um einen Teller Suppe“, erklärt Berling. „Es geht um Kontakt, um Anteilnahme. Und 90 Prozent sind sehr, sehr dankbar.“ Vielleicht ist es auch diese Dankbarkeit, die Berling unermüdlich motiviert. In seinen fast 30 Einsätzen als Hausarzt in Afrika über Cargo Human Care (CHC) haben ihn besonders die Patienten berührt, denen er nicht viel helfen konnte. „Die sind sehr dankbar und das ist manchmal wirklich fast beschämend, weil man ja gar nichts getan hat.“ Auch hier ist Berling bescheiden. Denn selbst wenn es ihm mal nicht möglich war, medizinisch zu helfen, war er mit Herz und Ohr bei der Sache, weiß Fokko Doyen, 1. Vorstandsvorsitzender und Gründungsmitglied von CHC. Er hat Berling 2009 kennengelernt und über die Jahre sowohl in Deutschland als auch während der Einsätze in Afrika getroffen. „Ich habe Jörg Berling als sehr engagierten Menschen erlebt. Als jemand, der sich vor allem für die Probleme von jungen Menschen interessiert“. Doyen berichtet von Berlings Patenkind, das im CHCMothersMercy Home“ Kinderheim in Nairobi wohnte. „Schul- und Berufsausbildung wurden von Dr. Berling finanziert. Doch nicht nur das lag ihm am Herzen. Seine Gespräche waren von großer Wichtigkeit für die Entwicklung dieses jungen Menschen.“ Und noch ein weiterer Punkt ist Doyen nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Berling hat jahrelang Spendengelder für CHC in Lüneburg gesammelt.

Über Spenden wird auch Berlings neuestes Herzensprojekt finanziert. Da er seit letztem Jahr nicht mehr nach Afrika fliegt und Ende dieses Jahres endgültig in den Ruhestand geht, hat er sich bereits eine neue Herausforderung gesucht. „Was jetzt sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, ist der Verein ‚Demokratie bewahren‘“. Berlings Augen leuchten vor Begeisterung als er davon spricht. Mit insgesamt sieben Mitstreitern hat er Anfang 2025 die Kampagne „aufklären statt aufhetzen“ in den Social-Media-Kanälen gestartet. Kurze Videos zu politischen Themen wie z. B. Migrationspolitik sollen Menschen zwischen 15 und 30 Jahren ansprechen. „Wir haben zur Bundestagswahl 1,6 Millionen Aufrufe gehabt, doch unser Mindestziel sind 16 Millionen Aufrufe“, erklärt Berling. Er und die anderen haben sich bereits vor 40 Jahren während der Studienzeit in politischen Gruppen kennengelernt. Der Jurist Dr. Schmidt-Kötters ist einer von ihnen. „Jörg ist politisch interessiert und immer darauf aus, unsere freiheitliche Gesellschaft zu verteidigen“, erklärt Schmidt-Kötters. Sie alle wollen sich für die Grundwerte der Demokratie einsetzen und den jungen Leuten etwas weitergeben. Andere Menschen fanden das Projekt genauso wichtig und spendeten. „Wir haben alles superfinanziert bekommen“, freut sich Berling. „Und deshalb wollten wir weitermachen und haben den Verein gegründet.“

„Was jetzt Zeit in Anspruch nimmt, ist der Verein Demokratie bewahren.”

Dr. Jörg Berling

Kurz nach 13 Uhr verabschieden sich die letzten Gäste. Berling und die anderen Helfer räumen zusammen. Sein Engagement in der Kirche scheint ihm eine besondere Zufriedenheit zu geben. „Ich bin gläubig“, bestätigt Berling. Bereits seine Mutter war katholische Religionslehrerin. Später studierte Berling einige Semester Theologie bis er merkte, dass ihm Medizin doch etwas mehr Freude machte. Bis heute ist er im Kirchenchor. Auf die letzte Frage, welche Person er in seinem Leben gerne einmal treffen würde, antwortet er: Franziskus von Assisi. An diesem bewundere er, dass er für die damaligen Verhältnisse aus einem betuchten Elternhaus kam und sich dann komplett der Armut verschrieben hat. „Und das ist eine ganz faszinierende Persönlichkeit.“

Berlings Zeit bei der KVN

Ein weiteres Betätigungsfeld für Berling war und ist die Berufspolitik. Schon früh merkte er, „dass viele Dinge nicht so laufen, wie ich es mir idealerweise vorstelle.“ Daher wollte er an die Schaltstellen. Eine solche Schaltstelle belegte er von 2011 bis 2022 als stellvertretender Vorsitzender der KVN, wobei der Anfang gar nicht so leicht war. „Ich hatte von Verwaltung keinerlei Ahnung. Mir hat gut gefallen, dass dann, von den Abteilungsleitern, den Verantwortlichen bis hin zum Sekretariat, alle sehr wohlwollend waren, sich auf mich eingestellt und mir viel beigebracht haben. Das war schon toll.“ Manchmal hat Berling allerdings das bürokratisch-administrative Handeln als hinderlich empfunden. „Es war zwar vielfach richtig, aber manchmal ein bisschen zu stark, da hätte ich mir mehr Mut zu offensiveren Entscheidungen gewünscht.“ Unterm Strich zieht Berling ein positives Fazit über seine Zeit bei der KVN: „Ich habe für mich wirklich viel gelernt und auch die Verwaltungsarbeit schätzen und achten gelernt. Und ich glaube, die KVN ist richtig gut aufgestellt.“