Foto: Nils Hendrik Müller
Liebe Mitglieder, Mitte Mai diesen Jahres trat in Niedersachsen eine grundlegende Neuausrichtung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Kraft. Zunächst gingen wir in eine achtwöchige Einführungsphase, in der alle Bereiche schrittweise umgestellt wurden. Seit Mitte Juni ist das neue System nun flächendeckend in Niedersachsen eingeführt. Mit KVN.akut gibt es somit seit dem Sommer eine moderne und landesweit einheitliche Struktur in der ambulanten Akutversorgung außerhalb der Praxiszeiten.
Warum eine Reform notwendig war? Weil die Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes immer herausfordernder wurde – insbesondere durch die immer stärker steigende Arbeitsverdichtung und -belastung in den Praxen, die heterogene Struktur und den immer stärker spürbaren Ärztinnen- und Ärztemangel. Mit der Reform haben wir auf diese Entwicklung reagiert und klare, technologiegestützte Versorgungsprozesse geschaffen, die Patientinnen und Patienten gezielter und effizienter versorgen und die niedergelassene Ärzteschaft spürbar entlasten, denn sie ist nun nicht mehr zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet. Ein gutes Argument auch zur Ansiedlung des dringend benötigten ärztlichen Nachwuchses.
In unserem neuen System ist Telemedizin die neue zentrale Versorgungsebene. Alle Fälle, bei denen laut strukturierter Ersteinschätzung mittels SmED eine zeitnahe Behandlung notwendig ist und keine Weiterleitung in eine Praxis möglich erscheint, werden künftig im ersten Schritt obligatorisch telemedizinisch betreut. Niedersächsische Vertragsärztinnen und -ärzte übernehmen die Beratung – per Video oder telefonisch – direkt zu den Bereitschaftsdienstzeiten. Damit gewährleisten wir, dass jede Patientin und jeder Patient im Bereitschaftsdienst schnell einen Erstkontakt zu einer Ärztin oder einem Arzt erhält – sehr viel schneller als bisher übrigens. Mehrfachanrufe und insbesondere das Ausweichen auf die 112 können wir so verhindern.
Natürlich erhalten wir den medizinischen Fahrdienst, er wird aber gezielter und ausschließlich auf ärztliche Anordnung durch die Telemedizin ausgelöst. Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. übernimmt in allen Regionen Niedersachsens die Bereitstellung von qualifiziertem Personal – ärztlich und nichtärztlich. Die Dispositionszentrale der 116117 bleibt dabei zentrale Anlaufstelle. Sie steuert wie bisher alle Anfragen der Patientinnen und Patienten – mit direkter Weiterleitung in die Telemedizin, die Fahrdienste oder die Regelversorgung.
In der vorliegenden Ausgabe des kvn.magazins schauen wir dezidiert auf die Umsetzung dieser Reform, erläutern ausführlich das System, sprechen mit unseren Partnern und blicken auf die konkrete praktische Umsetzung. Wie immer erscheint parallel auch unser Podcast „ambulant relevant“, der deutlich macht, was diese Reform an Vorteilen für beide Seiten – Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte – bringt und welch ein Kraftakt diese Reform auch intern für die KVN bedeutete. Ich freue mich, wenn Sie reinhören – und wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.
Thorsten Schmidt
Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen